Wir sind so oft vorbeigefahren, hatten aber nie Zeit, hier anzuhalten. Wir fuhren einfach die Autobahn weiter und ich seufzte, „na ja, vielleicht beim nächsten Mal“, und fuhr weiter. Aber dieses Mal, während unseren Kurzferien im Tessin, bestand ich darauf, dass wir endlich einen Besuch in Bellinzona auf unsere Reiseroute setzen. Und warum habe ich überhaupt darauf bestanden, Bellinzona zu besuchen? Weil es der Hauptort des Kantons Tessin ist (das wissen nicht viele) und dank seiner drei mittelalterlichen Burgen zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Anreise
Mit dem Zug: Dank der Eröffnung des Gotthardtunnels (mit 57 Kilometern der längste und tiefste Tunnel der Welt) hat sich die Zugfahrt nach Bellinzona erheblich verkürzt. Von Zürich zum Beispiel dauert die direkte Fahrt (IC 2-Zug) 1 Stunde 37 Minuten. Der Bahnhof liegt etwa 500 Meter nordöstlich der Altstadt.
Mit dem Auto: Wenn man nach Bellinzona fährt, sind die beiden gängigsten Zufahrtsrouten aus der Deutschschweiz über den Gotthardtunnel (aus Richtung Bern/Luzern/Zürich) oder San Bernardino (aus Richtung Chur/St.Gallen). Es gibt mehrere kostenpflichtige Parkplätze direkt im Zentrum, wie z. B. das Autosilo Piazza del Sole, das perfekt für die Erkundung der Stadt gelegen ist.
Die Stadt Bellinzona
Schon zur Römerzeit war Bellinzona ein Ort mit strategischer Lage, der die Alpenpässe (Novea, Lucomagno, Gottardo und San Bernardino) kontrollierte. In der Mitte des 13. Jahrhunderts kaufte die Familie Visconti aus Mailand die Stadt und errichtete auf einem Hügel in der Mitte des Tals eine neue Burg an der Stelle des ursprünglichen römischen Grenzpostens. Die Familie Rusconi aus Como baute die zweite Burg und die Familie Sforza die dritte.
Castelgrande
Das Castelgrande ist das sichtbarste Wahrzeichen von Bellinzona und vielleicht die eindrucksvollste des Trios mittelalterlicher Festungen. Der Ort – also der Hügel San Michele, auf dem die Burg heute steht – war bereits in der Jungsteinzeit (5500-5000 v. Chr.) besiedelt. Man erreicht sie von der Piazza del Sole aus, an deren westlicher Ecke sich ein in den Felsen gebauter Lift befindet, mit dem man auf die obere Terrasse der Burgbefestigung gelangt. Der Eintritt in das Burggelände (Innenhof und Murata) ist frei. Ansonsten wird eine Gebühr von 10 Franken für die Besichtigung der Türme und 5 Franken für den Besuch des Museo Archeologico erhoben. Die Türme sind die Dominante der Burg – es gibt zwei und sie werden der Weisse und der Schwarze (Torre Bianca und Torre Nera) genannt, obwohl beide aus grauem Granit gebaut sind.
Das beeindruckendste Element der Burganlage ist die Murata, eine massive Doppelmauer, die einen gewölbten Gang birgt.
Wenn man zur zweiten Burg gehen möchte, geht man die Treppen der Scalinata San Michele hinunter. Diese führen zur Piazza della Collegiata, die von der prächtigen Chiesa Collegiata dei SS Pietro i Stefano dominiert wird. Das Äussere ist im Renaissancestil, aber die Innenräume sind barock. Wenn man ein Fan von Barockkunst oder ein religiöser Mensch ist, empfehle ich auf jeden Fall, hineinzugehen. Es ist nicht erlaubt, drinnen zu fotografieren, daher habe ich keine Bilder vom Inneren für euch, aber es ist absolut atemberaubend.
Castello di Montebello
Ein Wegweiser an den Stufen der Chiesa Collegiata führt zum nächsten Schloss. Ja, es gibt wieder Treppen. Wenn man die Treppe nicht nehmen will/kann, kann man mit dem Auto zur Burg fahren – es gibt einen kostenlosen Montebello-Parkplatz. Und es gibt auch ein Schild für die Grand Tour of Switzerland.
Die Festung aus dem 13. Jahrhundert ist dank ihrer Zugbrücken, Wälle und des kleinen Museums (Eintritt 5 Franken) sehr beeindruckend. Die Aussicht auf die Stadt ist von hier aus wunderschön. Ich empfehle den Ort auch für ein Picknick (das nach dem Aufstieg über die Treppe auf jeden Fall nützlich sein wird) – es gibt sogar Picknicktische in den Nischen auf der Innenseite der Festungsmauern.
Castello di Sasso Corbaro
Vom Castello di Montebello sind es weniger als 2 km bis zum Castello di Sasso Corbaro. Dieses kleinste der hiesigen Burgen wurde im 15. Jahrhundert von der Familie Sforza erbaut, um zwei bereits bestehende Festungen zu verstärken und so die Kette der Befestigungsanlagen der Stadt zu vervollständigen. Es ist ein ziemlich steiler Aufstieg, wenn man also keine Lust mehr hat, zum Castello di Sasso Corbaro hinaufzuwandern, kann man mit dem Bus (Linie 4) fahren oder direkt unterhalb der Burg mit dem Auto oder dem Touristen-Shuttle-Zug ankommen. Im quadratischen Innenhof findet man ein kleines Restaurant, wo eure Liebsten auf euch warten können, während ihr euch entscheidet, die Galerie im Inneren des Schlosses mit ihren wechselnden Ausstellungen zu besuchen.
Zum Zeitpunkt unseres Besuchs war im Castello eine Ausstellung Raffaello il divino 3D über den Renaissance-Künstler Raffaello Santi zu sehen (Eintritt 15 Franken Erwachsene, 8 Franken Kinder), die ich besucht habe. Bis zum 7. November kann man sie hier besuchen.
Zusammenfassung
- Das Zentrum von Bellinzona ist klein und begehbar. Der Aufstieg zu den Burgen erfordert allerdings eine gute Kondition.
- Mir gefiel, dass jede der Burgen grosse Grasflächen hatte, auf denen die Kinder rennen und herumtollen konnten, ohne sich Sorgen machen zu müssen, etwas kaputt zu machen. Obwohl wir uns eine Zeit lang Sorgen gemacht haben, dass sie von den inneren Gängen der Festungsmauern herunterfallen könnten, weil die steinernen Gänge schmal sind und es keine Geländer gibt.
- Das Gelände jeder Burg kann mit einem Kinderwagen oder Rollstuhl besichtigt werden. Im Inneren der Burgen und Museen gibt es jedoch viele Treppen und keine Lifte.